Eine sehr interessante Frage im Rahmen unserer Diskussion zum Thema „Local Commerce“ auf dem Barcamp München 2012 war:

„Warum gibt es noch so wenig Entbündelung von Beratung und Verkauf?“

Dazu nun in zwei Beiträgen mehr Überlegungen zum Thema.

Definition „Entbündelung“

Der Begriff Entbündelung wurde in den letzten Jahren hauptsächlich in Verbindung mit Telekommunikationsdienstleistungen geprägt. Klassische Angebote gab es lange Zeit nur gebündelt in einem Paket:

  • Telefonanschluss (die Bereitstellung der Telefondose mit Anschluss ans Netz)
  • Telefoniedienst (der Dienst, der das Telefonieren ermöglicht)
  • DSL Zugang (die Anschluss ans Netzwerk auf Vermittlungsseite)
  • Internetdienst (der Dienst, der die Internetnutzung ermöglicht)

Das behinderte in vielen Fällen den Wettbewerb und die Verbreitung von neuen Diensten. Eine Fragestellungen dafür war:

Warum sollte jemand Internettelefonie (VoIP) nutzen, wenn es den DSL-Anschluss eh nur in Kombination mit einem Telefonanschluss gibt?

Beim Entbündeln geht es also darum, verschiedene Dienstleistungen und Produkte, die bisher zusammen in Paketen angeboten wurden – einzeln mit Preisen zu versehen und anzubieten. Heutzutage gibt es viele Kombinationsmöglichkeiten und die Auswahl einzelner Pakete – z.B. den puren DSL Anschluss.

Gegentrend “Bündelung”

Es gibt auch Bereiche, in denen – meist aus ökonomischen Gründen – eine Bündelung von Dienstleistungen erprobt wird. Insbesondere bei den folgenden Beispielen sollten wir etwas genauer hinschauen:

  • Ärzte und Krankenkasse – die Interessen der Patienten und der Krankenkasse sind nicht immer deckungsgleich, der Arzt sollte immer im Interesse des Patienten handeln
  • Rechtsanwalt und Versicherung – auch der Rechtsanwalt sollte primär im Interesse seines Mandanten handeln, nicht primär für den Schadensregulierer

Natürlich gibt es Vor- und Nachteile. Es kommt – wie so oft – auf die genaue Ausgestaltung des Modells an. Interessant dazu der Wikipedia-Artikel zur “Hausarztzentrierte Versorgung”. Die Vorteile eines “Lotsen” innerhalb unseres Gesundheitssystems liegen auf der Hand. Aber die befürchteten Nachteile sind ebenso nachvollziehbar.

Wann hat Entbündelung gute Chancen?

Entbündelung funktioniert dann besser, wenn die jeweiligen Bestandteile klar voneinander getrennt werden können. Jede separierte Dienstleistung sollte von Kunden als individueller Mehrwert wahrgenommen werden – so wie beim Beispiel der Telekommunikation.

Beratungsintensiven und sensiblen Themen eignen sich auch gut für Entbündelung, da hierbei oft die Neutralität des Beraters wichtig ist. In der Finanzbranche gibt es unabhängige Honorarberater. Diese arbeiten auf Grundlage von Beratungsgebühren, direkt bezahlt durch ihre Mandanten. Üblich ist heute eher noch die “kostenfreie Beratung”, die sich über Provisionen der vermittelten Finanzprodukte trägt.

Die meisten Menschen kennen die möglichen Interessenskonflikte, scheuen aber die direkten unmittelbaren Kosten einer unabhängigen Beratung.

Entbündelung bei Handel und Dienstleistern

Klingt vielleicht auf den ersten Moment etwas merkwürdig: Sollten wir separat erst einmal für die Verkaufsberatung bezahlen und danach noch für das Produkt? Die Erfahrung und Gewohnheit in unseren Regionen sind da eher anders. Es wird mehr oder weniger erwartet, dass der Verkäufer in Vorleistung geht. Dass sie oder er sich Zeit für die Beratung nimmt – immer schön unverbindlich für den Kunden. Der Videoclip des Havard Book Store zeigt eine zwar überzeichnete, aber sicher nicht ganz unrealistische Geschichte.

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Könnte eine Entbündelung von Beratung und Verkauf bei Handel und Dienstleistern funktionieren? Dazu folgt am Donnerstag der zweite Teil zum Thema.

Bis dahin – welche Beispiele für „Entbündelung“ und „Bündelung“ von Diensten und Produkten fallen Euch ein?

 Dieser Beitrag stammt aus unserem damaligen Projektblog "on2off".